Predigttext: Lukas 15,11–32 (Gleichnis vom verlorenen Sohn) „Niemand geht verloren“
Liebe Festgemeinde, liebe Traunsteinerinnen und Traunsteiner,
650 Jahre Traunstein – das ist schon eine Hausnummer. Vom Alter her irgendwo zwischen Reformation und Bayerischem Reinheitsgebot. Vom Selbstverständnis eher beim Reinheitsgebot, aber das nähert sich ja an, wie wir heute sehen. Und wer so viel erlebt hat wie diese Stadt, weiß auch, dass man manchmal ein bisschen Humor braucht, um das Leben zu überstehen.
Unser Evangelium heute hat viel augenzwinkernden Humor. Der junge Mann im Gleichnis hat die Nase voll. Es ist ihm zu eng. Der Vater zu nett. Der Bruder zu langweilig. Deshalb sagt er: „Ich bin dann mal weg.“ Und nimmt das Erbe gleich mit – clever oder frech, je nachdem.
Manche werden sagen: Typisch Jugend. Andere vielleicht: Typisch Traunsteiner. Denn auch hier war der Wunsch nach Freiheit immer groß. Mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein und manchmal auch mit Beharrlichkeit. Was durchaus gut ist – außer man versucht, den Maxplatz neu zu gestalten.
Aber: Der junge Mann geht verloren. Nicht, weil er sich verirrt. Sondern weil er irgendwann merkt: Ohne Heimat, ohne Halt, ohne Miteinander wird’s schwierig. Und das Geld ist halt auch irgendwann weg.
Und jetzt kommt der Clou der Geschichte. Der Vater sitzt nicht beleidigt daheim auf dem Sofa und macht dem Sohn Vorwürfe. Nein. Er freut sich unbandig, dass der Filius wieder zurückkommt. Er läuft ihm entgegen. In Sandalen. Über den Hof. Mit wehendem Gewand. Das war damals, als noch keine 70-Jährigen in engen Rennradshirts Triathlon trainiert haben, ein ziemlich lustiges Bild – ein rennender alter Mann.
Und dieser alte Mann in der Geschichte ist ein Bild für Gott. Ihn hält nichts. Er umarmt. Er vergibt. Er freut sich. Er feiert. Er vergibt. Gnade ist manchmal peinlich großzügig, auf jeden Fall aber immer überraschend und bewegend.
Und genau das macht sie göttlich.
Und wo ist der ältere Bruder? Der steht draußen und schmollt. Er hätte es halt gerne ordentlich. Gerecht. Verdient. Und irgendwie kann man ihn ja verstehen. Was soll das? Der Bruder verprasst alles – und bekommt ein Fest? Hier, liebe Gemeinde, wird’s spannend. Denn das Gleichnis endet offen. Ob der große Bruder noch reingeht zum Fest – wir wissen es nicht. Die Frage ist: Gehen wir mit rein?
Auch in der Stadtgesellschaft gibt’s solche älteren Geschwister. Manche meckern lieber, bevor sie mitmachen. Fragen: „Warum jetzt wieder ein neuer Platz?“ „Was soll das mit den Studenten?“ „Und wo sollen die überhaupt wohnen?“ Traunstein ist keine Stadt der leisen Töne. Man hat Haltung. Meinung. Und oft auch Recht. Und wenn was schiefläuft, gibt’s mindestens eine Bürgerinitiative.
Gleichzeitig hat Traunstein ein großes Herz. Für Geflüchtete nach dem Krieg. Für die, die im Dunkeln leben. Für Familien, die hier ihre Zukunft bauen wollen. Für Pendler, die jeden Tag wegfahren oder ankommen. Für junge Menschen, die Neues ausprobieren.
„Keiner geht verloren“ – das ist die Kernbotschaft des christlichen Glaubens. Davon erzählt auch unser Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Das heißt: Wir passen aufeinander auf. Wir bauen nicht nur schöne Plätze, sondern auch Beziehungen. Wir lassen niemanden draußen stehen – auch nicht die mit an-derer Meinung, anderer Herkunft oder anderen Lebensentwürfen.
Der Vater im Gleichnis zeigt uns, wie das geht: Nicht belehren. Nicht zählen, wer was verdient. Sondern feiern, dass einer wieder dabei ist. Gerne auch mit Brotzeit, Musik und einem Traunsteiner Bier.
Also, liebe Festgemeinde: Ob Sie sich eher wie der jüngere Sohn fühlen – ein bisschen rebellisch, auf der Suche, offen für Neues …
Oder eher wie der ältere – pflichtbewusst, gerecht, manchmal auch genervt …
Gott sagt zu beiden: Du gehörst dazu. Ich geb dich nicht auf. Komm rein. Wir finden einen neuen gemeinsamen Weg.
Und mal ganz ehrlich: Ihr Maxplatz ist ziemlich schön geworden. Da hat sich das Streiten gelohnt, und am Ende wurde ein gemeinsamer Weg gefunden.
Und diese Stadt sollte immer mit Gottvertrauen sagen: In Traunstein geht keiner verloren – außer vielleicht beim Stadtfest. Aber da findet man sich auch irgendwann wieder. Am Bierstand, Am Maxplatz.
Oder auch beim Festgottesdienst.
Amen.