Berichterstattungen zur Landessynode

Hoffnungsträger Jugend

Synodenpräsidentin Preidel sagt »Na, und?«-Haltung den Kampf an

Text: Susanne Schröder, Sonntagsblatt Nr. 48 vom 27.11.2016

Eine hoffnungsvolle Kirche für Querdenker und Grenzgänger wünscht sich die Präsidentin und warnt vor Schwarzmalerei.

Als »Hoffnungsträger einer weltweit lebendigen Kirche« hat Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel junge Protestanten bezeichnet, die sich politisch und gesellschaftlich engagieren. Bei ihrer Eröffnungsansprache zur Herbsttagung der Landessynode in Bad Reichenhall bat sie Vertreterinnen von drei beispielhaften Projekten ans Mikro.

Paula Göhre und Tim Sonnemeyer vom »Global Young Reformers Network« des Lutherischen Weltbunds (LWB) stellten die Postkartenaktion »Note for Sale« vor, die im Vorfeld der LWB-Vollversammlung in Namibia 2017 Menschen weltweit zusammenbringen soll. Lisa-Marie Singer von der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Regensburg berichtete über die Arbeit des Netzwerks »Campus Asyl«, bei dem sich über 350 Ehrenamtliche in 20 Projekten von Behördenhilfe bis Breakdance um neu ankommende und anerkannte Flüchtlinge kümmern.

Von ihrem freiwilligen Jahr erzählte Katrin Vogelmann, die im August 2015 mit dem Auslandsprogramm von Mission EineWelt nach Nicaragua gegangen war, um dort unter anderem als Englischlehrerin für Kinder zu arbeiten.

Synodalpräsidentin Preidel warnte mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen sowohl vor Schwarzmalerei als auch vor Verharmlosung. Die Menschen neigten dazu, es für selbstverständlich zu halten, wenn etwas gut laufe, sagte Preidel. Wer aber die Kirche und die Welt, in der er sich zu Hause fühlt, für selbstverständlich halte, laufe Gefahr, eine Mentalität des »Na, und?« zu entwickeln. Der christliche Glauben vertrete jedoch nicht die Haltung des »Na, und?«, sondern des »Und trotzdem!«.

»Seien wir eine Kirche, die hellwach am Puls der Zeit und am Puls der Menschen ist«, sagte die Präsidentin. Es müssten neue Formen kirchlicher Dienstleistungen, die die Nöte der Menschen aufgreifen, oder Räume der Spiritualität und Orientierung entwickelt werden. »Werden wir eine Kirche ohne Barrieren, mit niederschwelligem Angebot für Querdenker, Visionäre, Grenzgänger, Suchende und Fragende«, ermutigte Annekathrin Preidel die Synodalen.    Susanne Schröder
 

 

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Kraftquelle Lutherbibel

Landesbischof Bedford-Strohm: Viele Menschen haben »Höllenangst«

Text: Susanne Schröder, Sonntagsblatt Nr. 48 vom 27.11.2016

Kraftsätze gegen die soziale Abstiegsangst, ein Hoch auf die Bibel und noch einmal die Kreuz-Debatte: das Wichtigste aus dem Bischofsbericht.

Die soziale Gerechtigkeit muss nach Überzeugung des bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm wieder einen zentralen Stellenwert in der Politik bekommen. Die Angst vor einem sozialen Abstieg mache den Menschen immer mehr zu schaffen, sagte der Bischof in seinem Bericht vor der Landessynode. »Manche Menschen arbeiten bis zur Erschöpfung und können ihren Kindern nicht mal einen Kinobesuch ermöglichen«, nannte Bedford-Strohm als Beispiel.

Auch sei immer häufiger trotz harter Arbeit und einer großen Lebensleistung keine auskömmliche Rente im Alter zu erwarten. »Man kann das durchaus als Höllenangst verstehen, aber die Hölle ist eine diesseitige, also das erschöpfte, unerfüllte, sinnlose und verarmte Leben«, so der Bischof.

Wie groß die Sehnsucht nach Orientierung in der Gesellschaft sei, zeigt sich für Bedford-Strohm auch daran, wie schnell die Jubiläumsausgabe der neu übersetzten Lutherbibel vergriffen war. »Die Menschen sehnen sich nach Kraftquellen«, sagte der Bischof. Die Bibel sei voll mit »Kraftsätzen gegen die Angst« oder »Halteseilen der Humanität«.

Auch als Kitt im zerstrittenen Europa sei die Bibel wichtig. Europa müsse sich über die prägenden Geschichten und Texte der Bibel neu verständigen, damit es »trotz der unterschiedlichen nationalen Perspektiven« wieder zu einer gemeinsamen Deutungsperspektive für den Alltag finde.

Der Bischofsbesuch auf dem Jerusalemer Tempelberg bestimmte am Montag noch einmal die Debatte. Bedford-Strohm sagte in der Aussprache, es sei nie eine gute Option, dass Kreuz abzunehmen. In der konkreten, politisch aufgeheizten Situation sei es jedoch eine »pragmatische Dilemma-Klugheitsentscheidung« gewesen, da die Stimmung vor Ort enorm angespannt gewesen sei. Keinesfalls habe er mit dem Kreuz auch seine Glaubensüberzeugung abgelegt.

Mit dem »Shitstorm« in den sozialen Medien müsse er nun leben; was ihn aber wirklich schmerze, sei, »wenn ich unsere Gemeindemitglieder als Bischof enttäuscht habe«. Hier wolle er das Gespräch suchen.
Die Mehrheit der Landessynode stärkte Bedford-Strohm den Rücken.    Susanne Schröder

 


Haushalt und Herberge

907 Millionen Euro im Landeskirchenhaushalt / Taskforce zieht Zwischenbilanz

Text: Sonntagsblatt Nr. 48 vom 27.11.2016

Bad Reichenhall. 907 Millionen Euro Einnahmen, 906 Millionen Euro Ausgaben: Das sind die Haushaltszahlen, die der landeskirchliche Finanzchef, Erich Theodor Barzen, der Synode präsentiert hat. Für die Zukunft geht die Landeskirche laut Barzen wegen einer möglichen Konjunktur-Eintrübung, Mitgliederschwund und dem »demografischen Faktor«, dem Ruhestand einer Vielzahl bisheriger Kirchensteuerzahler, von Belastungen für den Haushalt aus. Eine positive Zwischenbilanz hat die Geschäftsführerin der Taskforce »Wir schaffen Herberge«, Pfarrerin Bettina Naumann, gezogen.

Seit November 2015 habe die »AG Herberg« sieben Millionen Euro ausgegeben, um die kirchliche Flüchtlingsarbeit zu unterstützen. Durch Kooperationen konnten zusätzlich 4,5 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben werden. Damit seien in ganz Bayern 42 Projektstellen zur Koordination von Ehrenamtlichen und zahlreiche Patenschaftsprojekte entstanden. Derzeit prüfe die AG, ob sie Gemeinden beim Einbau von Wohnungen in bestehende Pfarrhäuser unterstütze, die an anerkannte Asylbewerber vermietet werden könnten.

Bei ihrer Herbsttagung 2015 hatte die Synode 20 Millionen Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt, 14 Millionen davon für die »AG Herberge«.    epd/scs

 


Eindringliche Botschaft zum Start der Landessynode

Tagung beginnt mit stimmungsvollem Gottesdienst – Dekan Bertram: „Barmherzigkeit Gottes grenzenlos“

Text: Barbara Titze, Bad Reichenhaller Tagblatt vom 22.11.2016 

Bad Reichenhall. Mit stimmungsvollen Alphörnern und feierlichem Festgeläut  begann am Sonntagabend der außergewöhnliche Gottesdienst anlässlich der Eröffnung der Herbsttagung der Evangelischen Landessynode in Bad Reichenhall. Schallend erklangen die Trompeten und Posaunen eines „Synodenquartetts“ beim Einzug mit der „Entrata festiva“ des belgischen Komponisten Flor Peters.

Illustre Gäste mischten sich unter die Gemeindemitglieder,  darunter Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Landessynodalpräsidentin Dr. Annekathrin Preidel und EKD-Ratsvorsitzender und Landesbischof  Heinrich Bedford-Strohm. Aber auch die Landtagsabgeordnete Michaela Kaniber, Landrat Georg Grabner, Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner und Reichenhalls Polizeichef Wilhelm Bertlein waren gekommen.
Vergänglichkeit thematisiert.

Dekan Peter Bertram griff in seiner Begrüßung die Botschaft des Einzugtextes auf: „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat.“ Christus siegt, regiert und befiehlt. Doch am letzten Sonntag des Kirchenjahres werde traditionell auch die  Vergänglichkeit thematisiert: „Unser Leben ist endlich, es hat Grenzen.“ Grenzen waren dann ebenfalls das Thema der Predigt von Superintendent Olivier Dantine zu einem Text aus der Apostelgeschichte, 16,9 bis 15, einem Kapitel, in dem vom Apostel Paulus erzählt wird, der mit seinen Begleitern die Grenze nach Europa überquert, ein „aus unserer heutigen Sicht historischer Moment“, wie Dantine sagte. „Hier liegt der Beginn des christlichen Abendlandes.“

Der Österreicher begann humorvoll: Er bedankte sich dafür, dass man ihn eingeladen hatte, obwohl sich gerade die Fußballmannschaft eines bekannten österreichischen Sponsors vor Bayern München an die Tabellenspitze gesetzt hatte. Doch schnell wurde der Dekan ernst: Eindringlich waren seine Mahnungen, eine Politik auf Kosten der Verletzlichen kratze an den Grenzen Europas.  „Wer von einem christlichen Europa spricht, muss seine Augen auf diese Grenze richten.“

Grenzen sollen schützen, aber Dantine betonte, auch die verletzlichen Menschen müssten geschützt werden. „Das Evangelium begegnet uns nicht in unserem Wunsch nach Bequemlichkeit.“ Grenzen sind für ihn Orte, „an denen Horizonterweiterungen geschehen.“ Und diese erwarte man zu Recht auch von denen, die nach Europa kommen.

Nachdenklich fragte sich der Superintendent, ob das Evangelium wohl heute die Chance hätte, über das Ägäische Meer hierher zu kommen. Er forderte eine „Solidarität, die nicht an den eigenen Grenzen Halt macht, sondern in der Barmherzigkeit Gottes begründet ist.“ Und er schloss mit den tröstenden Worten: „Die Barmherzigkeit Gottes kennt keine Grenzen.“

Uraufführung des Credos „Missa geniti“ gelingt 
Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes lag in den Händen des Musikdirektors Matthias Roth, der Verstärkung erhielt durch die junge  Kantorin Margarete Schlegel. Diese hatte nicht nur Motetten- und Kinderchor, sondern auch die Gemeinde musikalisch voll im Griff und spornte fröhlich und mit großem Einsatz alle zu Höchstleistungen an. Besonderes Entzücken lösten die reizenden Kinder des kleinen Chors mit ihren Solopartien und vor allem mit dem Credo aus „Missa geniti“ von Roth aus, das sie hier zur Uraufführung brachten. Der wunderschöne Text dazu stammt von Renate Grassl, und so wie ihre Worte „perlten und prickelten, glänzten und glimmerten“ auch die zarten Kinderstimmen.

 

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Beim anschließenden Empfang im Königlichen Kurhaus  ging es fröhlich zu: Dekan Bertram sprach von Bad Reichenhall als dem „südost-oberbayerischen Down Under“ und der Aufgabe der Synode, „Weltverantwortung zu übernehmen, sich einzumischen, das Salz der Erde“ zu sein, hier „unten drunten, ganz im Süden – oder doch ganz mittendrin.“

Nach einem Grußwort des Oberbürgermeisters Dr. Herbert Lackner sprach auch EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm, der seiner Bewunderung für die herrliche Landschaft rings um Bad Reichenhall Ausdruck verlieh und sich freute, direkt nach dem Gottesdienst gleich auch mit der Reichenhaller Bevölkerung ins Gespräch gekommen zu sein. „Und da hat mich ein Zwölfjähriger, der Felix, angesprochen und gefragt, wie man denn die Trinität verstehen könnte.“ Ein Gespräch, dass er selber sicher nie vergessen würde. Für ihn lag der Schluss nahe: „In Bad Reichenhall brauchen Sie sich über den theologischen Nachwuchs keine Sorgen zu machen.“ Und weiter: „Berge geben Sicherheit. Das braucht man in einer Situation, in der das ganze Land nervös ist, wo man nicht mehr miteinander redet, sondern nur noch polarisiert.“

Eine Woche lang wird miteinander geredet 
Der Landesbischof betonte, wie wichtig es ist, miteinander zu reden. Und genau das wird die gesamte Woche über praktiziert werden. Landessynodalpräsidentin Dr. Annekathrin Preidel lädt alle interessierten  Bürger ein, daran teilzunehmen. Täglich um 9 Uhr beginnen die öffentlichen Sitzungen, außer Mittwoch, da findet der öffentliche Teil erst ab Mittag statt. In den Pausen besteht außerdem die Möglichkeit, mit den Synodalmitgliedern ins Gespräch zu kommen.

 


Down under in Bad Reichenhall 

Text: Susanne Schröter, Sonntagsblatt Nr. 47 vom 20.November 2016

Bei ihrer Herbsttagung in Südostbayern erlebt die bayerische Landessynode eine Region mit neuem Grenzverständnis

Von Sonntag bis Donnerstag berät sich das bayerische Kirchenparlament zum dritten Mal nach 1995 und 2003 im oberbayerischen Bad Reichenhall. Auf dem Synodenprogramm steht der Haushalt der Landeskirche - und Begegnungen mit den Protestanten vor Ort.

Traunstein/Bad Reichenhall (epd). Wenn die unterfränkische Synodale Helga Neike aus Miltenberg am Sonntag in Bad Reichenhall zur Herbsttagung des bayerischen Kirchenparlaments ankommt, dann hat sie fünf Stunden Auto- oder sechseinhalb Stunden Zugfahrt hinter sich - im besten Fall. In Hamburg ist man von Nordbayern aus jedenfalls schneller, und das macht am Synodenort Bad Reichenhall wieder einmal zwei Dinge sichtbar: Die evangelische Landeskirche ist groß, und das Thema Entfernungen spielt hier, im Flächendekanat Traunstein am Rand der bayerischen Landeskirche, eine Dauerrolle.

Dabei geht es den Menschen im südöstlichsten Zipfel Bayerns ein bisschen wie den Australiern: "Down under" sind sie nur für die anderen; im täglichen Leben haben sich die Grenzen längst so verschoben, dass sich eine vitale Region rund um ein starkes Zentrum gebildet hat. Nur heißt das eben Salzburg und nicht München. "Wir haben hier Hochschulen, Musik auf Weltniveau, ein Wirtschaftszentrum und einen Flughafen", sagt der Traunsteiner Dekan Peter Bertram selbstbewusst. Kooperation und Vernetzung sind für die Protestanten in der Diaspora lebensnotwendig.

Die Grenzüberschreitung gehört zum Alltag. Bei regelmäßigen "Euregio"-Treffen werden die Kontakte zur "Evangelischen Kirche Salzburg-Tirol" gepflegt - von bayerischer Seite nehmen die Gemeinden Laufen, Freilassing, Berchtesgaden und Bad Reichenhall teil. "Die Zusammenarbeit ist zum Teil enger als mit den oberbayerischen Nachbardekanaten", stellt Bertram fest. Österreichische Pfarrer übernehmen Urlaubsvertretungen auf bayerischer Seite; die bayerischen Kollegen springen in Salzburg ein. Es gibt Beratungsgespräche auf dem kurzen Dienstweg zwischen Bertram, seiner Rosenheimer Kollegin Hannah Wirth und dem Salzburger Superintendent Olivier Dantine. Der Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. (Augsburgischen Bekenntnisses, also lutherisch, im Gegensatz zu H.B., Helvetischen Bekenntnisses, also reformiert) hält auch die Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Landessynode - damit knüpft er an die Synodensitzung 2003 an, bei der seine Vorgängerin Luise Müller auf der Kanzel der Stadtkirche stand.

Diese Stadtkirche wiederum ist das älteste evangelische Gotteshaus des Dekanats: 1881 erbaut, war es eine Keimzelle des Protestantismus in Südostbayern. Bad Reichenhall war Muttergemeinde für die Gemeinden Traunstein, Berchtesgaden, Freilassing und Laufen. 

Der Charakter des Kurorts und das gehobene Bürgertum der Sommerfrischler um 1900 prägen die Gemeinde bis heute: Kur- und Urlauberseelsorge sind Schwerpunkte, Kultur wird groß geschrieben. "Die Kirchenmusik in Bad Reichenhall hält jeder Konkurrenz stand und strahlt weit über Bad Reichenhall hinaus", sagt Dekan Peter Bertram. Kantor Matthias Roth, der den Motetten- und den Kinderchor zu musikalischen Großtaten anspornt, wird es gerne hören. Der Kirchenmusiker komponiert auch selbst: Sieben Uraufführungen aus Roths Feder waren in den vergangenen Jahren in der Stadtkirche zu hören.

Einen Superlativ hält auch die "Evangelische Öffentliche Bücherei Bad Reichenhall": Sie ist, zusammen mit der Vaterunserkirche München, die größte Gemeindebücherei im Kirchenkreis München-Oberbayern und gehört mit einem Bestand von 13.200 Medien zu den 25 größten evangelischen Büchereien in Deutschland. Nur die Leiterin Regina Gündisch bekommt einen Bruchteil ihrer Arbeit auf 450-Euro-Basis vergütet, der Rest passiert ehrenamtlich. Mit ihrem mobilen Bücherdienst für Senioren, dem Bibliotheksführerschein für Vorschulkinder und den Deutschkursen für Flüchtlinge ist die Bücherei ein Herzstück der Gemeinde und ein Netzwerk für soziale Kontakte, Bildungsarbeit und Seelsorge. Zu schade, dass das Synodenprogramm so dicht ist: Sonst hätte Regina Gündisch und ihre Kolleginnen sicher Tipps für eine spannende Pausenlektüre gehabt.

 


Traunstein – ein Dekanat will „Den Glauben und das Leben stärken.“

Text: Dekan Peter Bertram für das Rothenburger Sonntagsblatt vom 20. November 2016

 

„Ihr seid das Salz der Erde“ hat im  evangelischen Südostoberbayern, zu dem auch die Salzregion Berchtesgaden – Bad Reichenhall gehört, einen besonderen Klang. Salz sein für die Welt, sich einmischen, mit gestalten, sich für sozial Schwächere einsetzen, Weltverantwortung wahrnehmen – das sind hier die besonderen Anliegen von Diakonie und Kirche.

Verantwortung übernehmen – Perspektiven eröffnen

Sie zeigen sich in reger Zusammenarbeit mit den Kommunen, durch Bildungsangebote und konkrete Maßnahmen zu Themen, die die Gesellschaft bewegen, wie z.B. Flüchtlingshilfe, Engagement zu Ökologie und Umwelt wie dem „Grünen Gockel“, friedensfördernde Aktivitäten, Hilfen für Benachteiligte oder in lebendiger Partnerschaft mit dem Dekanat Mpwapwa in der Diözese Dodoma in Zentral-Tansania.

„Den Glauben und das Leben stärken,“ dieses Ziel verfolgen in engem Schulterschluss konsequent die Kirchengemeinden und das Diakonische Werk des im Jahre 1948 gegründeten Dekanates Traunstein.

Ein Dekanat – zwei Regionen

Von Berchtesgaden im Süden bis nach Neumarkt St. Veit im Norden ist man mit dem Auto 1.45 Stunde unterwegs. Die Diasporasituation und die großen räumlichen Entfernungen prägen die diakonische und kirchliche Arbeit. Der Einzugsbereich des Dekanats erstreckt sich über die vier Landkreise Altötting, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Traunstein mit insgesamt ca.3.440 qkm. Gut 50.000 Evangelische in sechzehn Kirchengemeinden sind hier zuhause, was etwa zehn Prozent der Bevölkerung entspricht. In mehr als 60 diakonischen Einrichtungen sind  1.000 hauptamtliche und zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeitenden für die Bevölkerung da.

Die Region Südostoberbayern und der Dekanatsbezirk Traunstein sind reich an wunderbarer Landschaft, an Lebensqualität, an prägender Kultur, lebendigem Brauchtum und auch an wichtigen Industriestandorten wie Burghausen und Burgkirchen. Die Generation der Heimatvertriebenen prägt bis heute vielerorts das Gemeindeleben, besonders in Waldkraiburg und Traunreut. Der Großraum München beeinflusst zunehmend die Entwicklung im Mühldorfer Raum. Der Marienwallfahrtsort Altötting ist Zentrum der Ökumenearbeit und gehört katholisch zum Bistum Passau.

Der Süden besticht durch die Nähe der Alpen und der Seen. Er ist Anziehungspunkt für viele Millionen Touristen, die jedes Jahr in dieser Region Erholung an Leib und Seele suchen. Hinzu kommen zahlreiche Zweitwohnsitze. Die Kur- und Urlauberseelsorge spielt eine wichtige Rolle. Viele Menschen finden einen Zugang zum Glauben über die Kirchenmusik, die im Dekanat Traunstein in vielfältiger Gestalt und in hoher Qualität angeboten wird. Fast 100 Musikbegeisterte bereiten sich momentan dekanatsweit auf die Teilnahme am Luther-Oratorium in München im März nächsten Jahres vor. Regelmäßige Kantatengottesdienste und Kirchenkonzerte in Bad Reichenhall und Traunstein sind  feste Größen im Jahreslauf.

Neben den traditionellen Aufgaben wie Kindergarten, Religionsunterricht, Konfirmanden-unterricht und Erwachsenenbildung entstehen in den Kirchengemeinden auch neue Arbeitsfelder: z. B. Eingliederungshilfen für Flüchtlinge, zielgruppenorientierte Projekte und Initiativen sowie Glaubenskurse. Das Diakonische Werk setzt besonders Akzente in den Fachbereichen Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe, Schule und Bildung, Seniorenhilfe, Soziale Dienste und Sozialpsychiatrie, in der Telefonseelsorge.

Grenzen fallen

Durch die geographische Lage des Dekanats und mit dem Wegfall der Grenzen in der EU etablierte sich die Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Österreich. Mittlerweile sind der regelmäßige Austausch und wechselseitige Vertretungsdienste eine unverzichtbare, bereichernde Selbstverständlichkeit geworden.

Der interreligiöse Dialog, besonders mit Muslimen hat in den Industriestandorten im Chemiedreieck stark an Bedeutung gewonnen. Die Vorbereitungen zum Reformationsjubiläum beflügeln die ökumenischen Kontakte. Der Kalender des Jahres 2017 ist dekanatsweit mit vielen Veranstaltungen, Gottesdiensten und Bildungsfahrten gespickt, vielfach gemeinsam geplant mit den katholischen Pfarreien.

Einstehen für geistige und soziale Lebensqualität

Der früher gerne als „Salon der Landeskirche“ bezeichnete südbayerische Raum, das Dekanat Traunstein und die Diakonie Südostoberbayern versuchen so gemeinsam wichtige Beiträge zur geistigen und sozialen Lebensqualität in der Region zu leisten.